Architektur-Spektakel in Singapur Vom Bauhaus zum Wowhaus
Von Christian Tröster
Wer hat den Bau des Jahres entworfen? Tausende Architekten aus aller Welt bewerben sich in Singapur um diese begehrte Auszeichnung. Ihre Beiträge sind spektakulär - vom Ski-Hotel in Iran bis zur Wolken-Villa in Australien. Nur deutsche Baumeister machen sich rar. Sind sie zu geizig?
Es ist ein Kongress der Superlative, der ab 3. Oktober in Singapur stattfindet: Mehr als 1700 Architekten versammeln sich beim World Architecture Festival, um der Kür des "World Building of the Year" beizuwohnen. Ein Spektakel, das irgendwo zwischen Ingeborg-Bachmann-Preis, "Deutschland sucht den Superstar" und Architekturbiennale angesiedelt ist - denn die Jury urteilt vor Publikum über die eingereichten Bauten.
Die Auswahl, eine Shortlist von 301 Projekten aus 66 Ländern, reicht von unscheinbar bis hysterisch und ist so bunt, wie zeitgenössisches Bauen eben sein kann. Da wird eine Villa in Form einer stilisierten Wolke vorgestellt (steht in Australien), ein Kino, das aussieht, als wäre es nicht von der postmodernen Architekturtheorie dekonstruiert worden (Süd-Korea), sondern von einem klassischen Erdbeben, bis zu einem Ski-Hotel in Iran, das beweist: Aus dem Land gibt es mehr zu melden als Atomversuche. Das Gebäude im Elburs-Gebirge nördlich von Teheran enthält schwungvolle Räume für Après-Ski auf Persisch und erinnert von außen an einen schmelzenden Gletscher.
Tatsächlich sind im Wettbewerb besonders bildmächtige und dramatische Formen reichlich vertreten. Doch das schnell gefasste Vorurteil, dass in Singapur nur Mickeymaus- und Marketing-Architektur prämiert wird, greift zu kurz - auch wenn eines der teilnehmenden Büros sich Wowhaus nennt. Die Jury, hier - kein Witz - als "Super Jury" tituliert, ist mit Ben van Berkel (Niederlande), Neil Denari (USA) und Moshe Safdie (USA) exzellent besetzt. Und die Gewinner der letzten Jahre sind durchweg ernst zu nehmende Bauten von hoher Qualität.
Der Preis hat seinen Preis
Aus Deutschland jedoch gibt es nur wenige Einreichungen. Das Büro NPS Tschoban Voss schickt gemeinsam mit EGP ein glattes Hochhaus in St. Petersburg ins Rennen, und das Atelier Dreiseitl aus Überlingen entpuppt sich als eine Art Hidden Champion der deutschen Planungskultur. Das international tätige Büro, das sich auf Wassertechnik und Umwelt spezialisiert hat, präsentiert die Freiraumgestaltung für eine Wohnsiedlung in Winnenden.
Das deutsche Desinteresse an dem Wettbewerb liegt womöglich an dessen kommerzieller Ausrichtung. Die Gebühren pro Einreichung sind mit 880 US-Dollar angesetzt. Wer es in die Shortlist schafft, muss zwei Personen nach Singapur schicken für die Präsentation vor der Jury. Zusätzlich zu den Reisekosten fallen dafür noch 1810 US-Dollar Eintrittsgelder an.
Tatsächlich ist das zum fünften Mal veranstaltete Festival ein Event, der Gewinn abwerfen soll - so wie im Bereich der Design Awards schon lange üblich. 32 Unterkategorien neben dem "World Building of the Year" garantieren den Veranstaltern massenhaft Einreichungen und den Architekten hinreichende Gewinnchancen - auf dass sich jeder Prämierte mit einem prächtigen Titel schmücke.
Ein wenig Wortgeklingel können Architekten im Wettbewerb um Auftraggeber immer gebrauchen, zumal wahre Bedeutung eher selten sichtbar gemacht werden kann. Gängigste und relevanteste Messgröße dafür ist der Pritzker-Preis, der sogenannte Nobelpreis für Architekten. Er kostet nichts, sondern bringt den Ausgezeichneten neben Ruhm und Ehre ein Preisgeld von 100.000 Dollar ein. Doch der Pritzker-Preis ist eben Mangelware. Er wird nur einmal im Jahr vergeben, an nur eine Person. Der Rest der Architektenschar pilgert dann nach Singapur.